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Ein imposantes Fachwerkhaus aus dem 17. Jh.

Das prachtvolle Patrizierhaus Ecke Bergstraße / Bornhardtstraße im Zentrum von Zellerfeld wurde 1673 erbaut. Heute befindet sich im Erdgeschoss die Tourist Information Clausthal-Zellerfeld, der „Tugendsaal“ im ersten Stock ist ein kleiner Veranstaltungsort. Außerdem hat hier die Freie Schule für Gestaltung ihre Räumlichkeiten.

Seinen heutigen Namen hat das Gebäude von einem Dachdeckermeister, dem es in der Kaiserzeit gehörte. Eigentlich müsste es eher nach seinem Erbauer „Daniel-Flach-Haus“ heißen. 

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Durch familiäre Beziehungen der Erbauer - Daniel Flach und der Zellerfelder Bergapotheker Andreas Herstelle hatten Schwestern geheiratet - steht das Dietzelhaus in engem Zusammenhang zur Bergapotheke, ebenfalls aus der Zeit gleich nach dem großen Stadtbrand. 

Beide Gebäude zeichnen eindrucksvolle Stuckbilder und -verzierungen aus, die sich jedoch hinsichtlich der Themen und ihrer Ausgestaltung voneinander unterscheiden.

Oberbergmeister Daniel Flach

Daniel Flach war ein ambitionierter Bergbeamter auf dem Höhepunkt seiner Karriere, als Mitte Oktober 1672 ein verheerender Brand innerhalb weniger Stunden mehr als drei Viertel aller Zellerfelder Häuser vernichtete - darunter die beiden Kirchen, das Rathaus, das Fürstliche Amtshaus mit der Münze und die meisten Wohnhäuser. Daniel Flach ließ den repräsentativen Neubau seines Hauses über den Kellergewölben zweier Vorgängergebäude errichten. Der imposante Fachwerkbau am historischen Marktplatz zeugt von der gesellschaftlichen Bedeutung seiner vermögenden Familie.

Im Alter von etwa 40 Jahren hatte Daniel Flach wenige Zeit vor dem Brand die 19jährige Anna Magdalena Drechsler geheiratet. Sie war Tochter des Clausthaler Zehntners (des höchsten Finanzbeamten vor Ort) und dürfte eine stattliche Mitgift erhalten haben. Das Allianzwappen der beiden Familien über der Tür des Dietzelhauses deutet darauf hin, dass auch Mittel aus dem Vermögen von Anna Magdalena Drechsler in den Bau und die Ausstattung des neuen Hauses einflossen.

Im Familienleben der bürgerlichen Oberschicht im 17. Jh. war die Welt der Frauen weitgehend getrennt von der Welt der Männer. War Daniel Flach im Erdgeschoss zu Hause, so gehörte das erste Stockwerk der Hausherrin: über dem Büro ihres Gatten hatte Anna Magdalena Drechsler ein Gemach zur Organisation des Haushalts. Daniel Flach hatte drei halbwüchsige Kinder mit in die Ehe gebracht; Ende 1673 und 1674 kamen zwei Kinder seiner jungen Frau hinzu. Mit Bediensteten dürfte der Haushalt etwa 15 bis 20 Personen umfasst haben.

Daniel Flach führte nicht nur Aufsicht über die Bergwerke, zu seinen Aufgaben gehörte auch der Wiederaufbau der Stadt und der fürstlichen Münze. Um eine für die damalige Zeit moderne neue Stadt zu schaffen, mussten viele Grundstücke neu vermessen und getauscht werden. Er bewies großes Organisationstalent, denn schon im Frühjahr 1673 wurde mit dem Wiederaufbau der Stadt begonnen. Vor allem die schachtbrettartig angelegten und begrünten Straßen strahlen noch heute ein besonderes Flair aus.

Architektur und Inneneinrichtung

Ursprünglich hatte das Gebäude eine fachwerksichtige Fassade mit aufwändigen Schnitzereien, die heute durch die Holzverkleidung verdeckt wird. Schon bald nach Daniel Flachs Tod wurden bauliche Veränderungen im Stil der Zeit vorgenommen, die dem Haus einen veränderten Raumeindruck geben. Fenster wurden vergrößert, ein seitlicher Anbau geschaffen, und in die Deele wurde ein repräsentatives Treppenhaus eingebaut. Um den ursprünglichen Charakter des Hauses zu spüren, braucht man heute Informationen und ein wenig Fantasie.

Das Erdgeschoss

Durch die schwere Tür (im Original erhalten) trat man in eine (ursprünglich zweigeschossige) Deele. Rechts des Eingangs lag das Büro des Oberbergmeisters (heute Tourist Information). Zu Daniel Flachs Zeit hatte das Haus auf der rechten Seite noch keinen zweistöckigen Anbau, sondern nur einen ebenerdigen, vom Wohnhaus völlig abgetrennten separaten Raum mit dicken Steinmauern und einem Kreuzgewölbe. Zum Schutz vor Bränden wurden in diesem „Tresor“ genannten Raum alle privaten Wertgegenstände und Dokumente sowie auch die wichtigen dienstlichen Unterlagen des Hausherrn verwahrt.

Auf der linken Seite der Deele war einen prächtiger Raum mit stuckverzierten Deckenbalken (heute Leseraum der Tourist Information). Weil das fürstliche Amtshaus abgebrannt war, konnte Daniel Flach hier den Berghauptmann und andere Adlige standesgemäß unterbringen.

An der Hinterseite des Gebäudes befanden sich die Küche mit einer riesigen Esse (rechts) und das für heutige Vorstellungen bescheidene Privat-Gemach des Oberbergmeisters Daniel Flach (links).

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Das erste Stockwerk mit dem „Tugendsaal“

Die Räume im ersten Stock erreichte man ursprünglich über eine quer zur zweigeschossigen Deele verlaufenden Treppe und eine Galerie. Nach Daniel Flachs Tod wurde in die Deele das repräsentative Treppenhaus eingezogen, das noch heute zu sehen ist.

Links der Deele über dem stuckverzierten Raum im Erdgeschoss war ein besonders repräsentativ ausgestatteter Raum - der Tugendsaal. Hier beherbergte die Familie Flach die hochwohlgeborenen Damen, wenn sie in Zellerfeld zu Gast waren und hier Hof halten mussten. Er gilt als schönster Raum des Hauses und hat seinen Namen von den eindrucksvollen Stuckbildern an der Decke, die noch heute den Reichtum und Repräsentationswillen der Familie Flach zeigen.

An der Decke sind die sieben Tugenden dargestellt. Frauenfiguren verkörpern die vier weltlichen Tugenden Klugheit (prudentia), Gerechtigkeit (iustitia), Tapferkeit (fortitudo) und Mäßigung (temperantia) sowie die drei christlichen Tugenden Glaube (fides), Liebe (caritas) und Hoffnung (spes). Alle Figuren sind mit allegorischen Attributen versehen, deren Bedeutung der gebildeten Oberschicht in der Renaissance präsent war, heute aber überwiegend in Vergessenheit geraten ist. Lediglich Waage und Schwert als Attribute der Iustitia sind uns auch heute noch geläufig und lassen ahnen, welche Bedeutung das umfangreiche Bildprogramm für das zeitgenössische Publikum hatte.

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Darüber hinaus sind in der Ausgestaltung der Tugenden aber auch Bezüge zur Situation nach dem verheerenden Brand und zum Bergbau erkennbar. Im Hintergrund der Spes zeugen ein Gebäude mit blinden Fenstern und Wind und Wolken davon, dass Hoffnung auf Besserung auch in rauen Zeiten besteht. Die Fortitudo wird vor einem Schachtgebäude mit Ausbeutefahne stehend dargestellt und symbolisiert damit auch das Vertrauen in die Stärke des Bergbaus.

Die achte Stuckfigur stellt den Winter (Hyems) in Form einer Männergestalt dar, die sich an einem Feuerkorb wärmt. Der Bezug zur schwierigen Situation nach dem Stadtbrand liegt nahe. Weitere Stuckverzierungen zeigen in christlicher Symbolik seltene Früchte und eine besondere Tierfigur.

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Die Obergeschosse

Im zweiten Stock - ursprünglich nur über eine Außentreppe zu erreichen - waren die Räume der Kinder und der Bediensteten des Hauses. Sie gehörten zur Privatsphäre der Familie Flach und sollten möglichst unsichtbar bleiben, wenn die Dienstgeschäfte des Hausherrn und die Anwesenheit der Obrigkeit das Haus zu einem öffentlichen Gebäude machten. Hier stand zu Zeiten der Familie Flach der imposante Dielenschrank, der heute auf der Empore vor dem Tugendsaal zu bewundern ist.

Bis heute erhalten geblieben ist auch die Rauchkammer im Dach, in der Lebensmittel für den langen Winter konserviert wurden. (Nach Informationen von Bernd Gisevius, Restaurator und Bauarchäologe, Clausthal-Zellerfeld - hz/HA)